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Erstmals Ausbildungskurs mit Integrationsprogramm in der Pflegeschule am St. Bernward Krankenhaus

Pflegepädagogin Katharina Rohdenburg (rechts) erklärt Alieu Barry und Mahout Merveille (von links) die Blutdruckmessung an der Übungspuppe.

Angehende Pflegekräfte aus Afrika 


Kurz muss Pflegeschülerin Mahout Merveille überlegen, wie herum genau die Blutdruckmanschette an der Übungspuppe angelegt wird. Dann schnallt sie sie fest und pumpt los. Neben ihr beginnt ihr Klassenkamerad Alieu Barry mit dem Abhorchen. Katharina Rohdenburg, Pflegepädagogin am Ausbildungszentrum am St. Bernward Krankenhaus (BK) ist zufrieden: „Das sieht schon sehr gut aus.“ 
 

Mahout Merveille aus Kamerun und Alieu Barry aus Gambia sind zwei von insgesamt 21 afrikanischen Frauen und Männern, die im Ausbildungszentrum am St. Bernward Krankenhaus ihre Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann begonnen haben. 17 von ihnen werden direkt im St. Bernward Krankenhaus arbeiten, vier weitere im Altenpflegeheim St. Paulus. Alle sind eigens für die Ausbildung nach Deutschland eingewandert.  „Es ist das erste Mal, dass wir solch einen Ausbildungskurs mit Integrationsprogramm in unserem Ausbildungszentrum anbieten“, erklärt Susann Börner, Pflegedirektorin am BK. Der anhaltende Fachkräftemangel werde sich in den kommenden Jahren noch verschärfen, wenn die Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen. „Darauf müssen wir Antworten haben.“
 

15 Auszubildende sind bereits in Deutschland angekommen, die übrigen werden in den kommenden Wochen eintreffen. Im Unterricht bei Katharina Rohdenburg sind die jungen Frauen und Männer hochkonzentriert bei der Sache. „Die Ausbildung in Deutschland ist eine sehr große Chance für uns, weil das Diplom weltweit anerkannt wird. Und natürlich, weil wir hier gut Deutsch lernen können“, sagt Christelle Wafo. Die junge Frau aus Kamerun wollte unbedingt eine Arbeit erlernen, bei der sie mit Menschen arbeiten und ihnen helfen kann – ein fester Job im Pflegebereich ist ihr Traum.
 

Aktiv gesucht hat das BK die ausländischen Auszubildenden nicht, die Bewerbenden sind ausnahmslos selbst an das Krankenhaus herangetreten. Dieses wirbt seit dem Sommer 2023 auf seiner Website sehr niederschwellig via QR-Code mit einer Kontaktaufnahme per WhatsApp – und das mit großem Erfolg. „Innerhalb der ersten drei Monate hatten wir 50 bis 60 Bewerbungen aus dem Ausland auf dem Tisch liegen“, erinnert sich Dr. Annette Lauber, Leiterin des Ausbildungszentrums am BK. Mittlerweile seien es mehr als 100. „Da haben wir uns gedacht: Warum sollten wir den jungen Menschen nicht die Möglichkeit geben, bei uns ihre Ausbildung zu starten?“
 

Gesagt, getan. Über Zoom kontaktierte das St. Bernward Krankenhaus die Bewerbenden aus Afrika, zunächst in Einzel-, später auch in Gruppengesprächen. „Wir waren sehr überrascht, wie gut die Frauen und Männer über die Ausbildung in Deutschland Bescheid wussten und sich bereits mit Praktika vorbereitet hatten – und auch, wie gut ihr Sprachlevel ist“, sagt Susann Börner. Die Mindestanforderung des Sprachniveaus liege für Bewerbende in medizinischen Berufen generell bei B2, was einem gehobenen Level entspricht, mit welchem komplexe Sachverhalte in einer Fremdsprache ausgedrückt werden können. Um das Sprachlevel nachzuweisen, mussten die Bewerber bereits in Afrika eine offiziell anerkannte Prüfung ablegen. „Dafür musste ich extra nach Dakar im Senegal reisen“, erzählt Alieu Barry. In seinem Heimatland Gambia gäbe es kein solches Prüfungsamt.
 

Nach mehreren Auswahlgesprächen standen die künftigen Auszubildenden schließlich fest: 13 Frauen und acht Männer zwischen 20 und 34 Jahren. Etwa 80 Prozent von ihnen stammen aus Kamerun, die übrigen kommen aus Marokko, Gambia, Algerien und Benin. Alles Länder, aus denen Auszubildende rekrutiert werden dürfen. „Das ist nicht immer der Fall, schließlich wollen wir den Ländern keine Auszubildenden wegnehmen, die sie selbst brauchen“, stellt Kira Gottschalk, Integrationsbeauftrage am St. Bernward Krankenhaus, fest. 
 

Die 25-Jährige wurde im September 2023 im BK eingestellt, unter anderem mit der Aufgabe, sich um die Einwanderungsformalitäten für die neuen Auszubildenden zu kümmern. Nicht gerade ein einfacher Job. Um den Frauen und Männern aus Afrika die Ausbildung ermöglichen zu können, waren Absprachen mit dem Jobcenter, der Bundesagentur für Arbeit sowie der Ausländerbehörde und dem Welcome-Center der Stadt Hildesheim notwendig. Es galt, zahlreiche Anträge auszufüllen, Erklärungen abzugeben und das Curriculum des Ausbildungsgangs anzupassen. „Auch Wohnraum mussten wir organisieren, sonst hätten die Auszubildenden ihre Visa nicht erhalten“, berichtet Gottschalk. Untergebracht sind die Azubis in insgesamt sechs, eigens vom BK ausgestatteten Wohngemeinschaften. Statt Miete zahlen sie einen Obolus an das Krankenhaus, gestaffelt nach dem jeweiligen Ausbildungsjahr. 
 

Die Formalitäten zu erfüllen und die berufliche Eingliederung zu schaffen, sei das eine, stellt Susann Börner fest. „Mindestens genauso wichtig ist aber auch die soziale Integration.“ Hierfür hat das Krankenhaus gleich mehrere Schritte ergriffen. „Die neuen Kolleginnen und Kollegen durchlaufen ein Integrationsprogramm“, berichtet die Pflegedirektorin. Zu diesem gehören unter anderem ein ausbildungsbegleitender, durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geförderter Sprachkurs sowie ein Orientierungskurs „Leben in Deutschland“. Beide erfolgen in Kooperation mit der Volkshochschule Hildesheim. Darüber hinaus hat das BK Kontakt mit dem Kamerunischen Verein Hildesheim aufgenommen, um den Neuankömmlingen insbesondere die Eingewöhnungsphase zu erleichtern. Und auch die eigenen Mitarbeitenden, allen voran die Praxisanleiter, schult das Krankenhaus mit interkulturellen Trainings. „Bei uns arbeiten bereits zahlreiche Menschen mit Migrationshintergrund und unserer Erfahrung nach ist es Gold wert, wenn die deutschen Kolleginnen und Kollegen die Situationen in den jeweiligen Herkunftsländern kennen“, betont Susann Börner.
 

Damit die neuen Auszubildenden ausreichend Zeit für das Integrationsprogramm haben, dauert die Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann für sie dreieinhalb anstatt drei Jahre. „Die Ausbildungsinhalte bleiben dieselben“, erklärt Dr. Annette Lauber. Stattdessen werde die Anzahl der wöchentlichen Unterrichts- und Arbeitsstunden um etwa 10 Prozent reduziert – „ähnlich wie in unserer Teilzeitausbildung, die wir seit dem 1. April 2023 anbieten. Wir haben also bereits Erfahrung mit diesem Ausbildungsmodell.“

Ob sich alle der neuen Kolleginnen und Kollegen in ihrem neuen Leben wohlfühlen und die Ausbildung bis zum Ende durchhalten werden? Susann Börner sieht es pragmatisch. „Das ist immer eine Blackbox. Auch bei unseren deutschen Auszubildenden liegt die Abbruchquote in der Regel bei etwa 20 Prozent – was übrigens immer noch niedriger als der Bundesdurchschnitt ist.“ Gleichzeitig würden aber etwa 90 Prozent der Auszubildenden auch nach ihrem Abschluss weiterhin am St. Bernward Krankenhaus arbeiten. Solch eine Quote erhofft sich die Pflegedirektorin auch von den Auszubildenden aus Afrika. „Das ist definitiv unser Ziel. Und wenn es gut läuft mit unserem Ausbildungskurs mit Integrationsprogramm, ist eine Wiederholung nicht ausgeschlossen.“

 

Die jungen Frauen und Männer aus Kamerun, Gambia, Marokko und Algerien starten ihre Ausbildung zur Pflegefachfrau bzw. zum Pflegefachmann im Ausbildungszentrum am St. Bernward Krankenhaus. Fotos: St. Bernward Krankenhaus GmbH

 

Das Ausbildungszentrum am St. Bernward Krankenhaus

Das Ausbildungszentrum am St. Bernward Krankenhaus (BK) besteht seit 1908 und bildet in Kooperation mit etwa 50 Einrichtungen in der Region Pflegefachfrauen bzw. Pflegefachmänner aus. An der Pflegeschule gibt es insgesamt elf Ausbildungskurse in unterschiedlichen Lehrjahren. Ausbildungsstart ist immer im Februar und im August (je zwei Kurse mit maximal 25 Auszubildenden). Seit 2023 bietet das Ausbildungszentrum auch eine Teilzeitausbildung an, seit 2024 erstmals einen Ausbildungskurs mit Integrationsprogramm mit ausschließlich aus dem Ausland stammenden Auszubildenden. 

Das St. Bernward Krankenhaus ist ein Schwerpunktversorger mit 502 Betten. Zum Krankenhaus gehören 17 Fachkliniken, vier Institute, Medizinische Versorgungszentren an fünf Standorten und ein Ausbildungszentrum für Pflegeberufe. Das BK ist Lehrkrankenhaus der Universitätsmedizin Göttingen.