Entlassene Patienten profitieren von Vernetzung zwischen St. Adolf-Stift und Nachversorgern

Der neue Gesundheitsstaatssekretär Dr. Oliver Grundei hat heute (16.09.2022) das Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift besucht, um sich über die Ergebnisse des Digitalisierungsprojekts SEKMA (Sektorenübergreifendes Entlassmanagement) zu informieren. Das Projekt wurde mit rund 490.000 Euro aus dem Versorgungssicherungsfonds des Landes Schleswig-Holstein finanziert. Das Land hat den Versorgungssicherungsfonds eingerichtet, um innovative Projekte zu fördern, die die sektorenübergreifende Zusammenarbeit stärken und zu einer besseren Versorgung beitragen. 

Innerhalb von drei Jahren ist die Entlassung von Patient:innen in dem Pilotprojekt SEKMA so optimiert ausgestaltet worden, dass die Versorgung im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung durch niedergelassene Ärzt:innen, stationäre Pflegeeinrichtungen und ambulante Pflegedienste verbessert werden konnte. Land und Projektbeteiligte erhoffen sich zukünftig durch eine bessere Kommunikation zwischen allen Beteiligten eine Reduktion des so genannten „Drehtür-Effekts“, also möglichst keine zeitnahe Wiederaufnahme von Patient:innen in ein Krankenhaus.

Der Ärztliche Direktor Prof. Stefan Jäckle sagte in seiner Begrüßung „SEKMA ist ein erster Anfang, ein Funke, der hoffentlich überspringen wird. Wir erhoffen uns, dass dieses Projekt sich fortpflanzen wird und vor allem zukünftig harte Endpunkte liefern wird, die zeigen, dass der Bau von Brücken über die zum Teil sehr tiefen Gräben der Sektorengrenzen in der Medizin die Genesung und Sterblichkeit unserer Patienten tatsächlich verbessern kann, dass rasche Wiederaufnahmen in das Krankenhaus seltener erforderlich werden und alle Mitarbeitenden durch SEKMA mehr Zeit für die eigentliche Arbeit am Patienten gewinnen.“

Verantwortlich für das SEKMA-Projekt im Krankenhaus Reinbek ist Laila Wahle. Die Klinikmanagerin für Digitalisierung sagt: „Als St. Adolf-Stift fühlen wir uns nicht nur für die Behandlung des Patienten und der Patientin verantwortlich, sondern auch für die uns anvertrauten Daten. Darum nutzen wir die sicheren Komponenten der so genannten Telematik-Infrastruktur. So kann jeder Anwendende in seiner Software weiterarbeiten, hat aber alle wichtigen Informationen trotzdem elektronisch zur Verfügung, was vorher durch voneinander getrennte Daten-Silos nicht möglich war.“

Der Bundesgesetzgeber hat am 1. Januar 2021 die Standards der Telematikinfrastruktur vorgegeben, um eine durchgängige elektronische Kommunikationen zwischen den unterschiedlichen Akteuren im Gesundheitswesen über die Systemgrenzen hinweg zu etablieren.  Wahle: „Bei unserem Projektstart im Oktober 2019 war nur bekannt, dass irgendwelche Komponenten kommen werden, die konkrete Vorgabe hat sich erst in der Projektlaufzeit ergeben. Wir haben flexibel reagiert und die daraufhin neu programmierten frei zugänglichen Lösungen der Telematik für unser Projekt genutzt und mussten anders als ursprünglich geplant keine eigene Software mehr schreiben lassen.“

Gesundheitsstaatssekretär Dr. Oliver Grundei betonte in seinem Grußwort: „Ein funktionierendes Entlassmanagement steht auch deshalb immer mehr im Fokus, weil sich die durchschnittliche Krankenhausverweildauer seit Beginn der 90er Jahre in etwa halbiert hat, was auch mit der Einführung der DRGs zusammenhing. Genau an dieser Stelle setzt ein gutes Entlassmanagement an, um die Versorgung der Patientinnen und Patienten im Anschluss an eine stationäre Krankenhausbehandlung sicherzustellen. Für eine gelingende Nachsorge spielt die reibungslose Zusammenarbeit der an der Nachsorge beteiligten Sektoren eine entscheidende Rolle. Das ist der zentrale Ansatz des Projekts SEKMA. Denn im Zentrum dieses Projektes steht, die Versorgung von Patientinnen und Patienten im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung durch niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Pflegeeinrichtungen sowie ambulante Pflegedienste als mögliche Nachversorger auch mithilfe digitaler Anbindung und Vernetzung bestmöglich über Sektoren hinweg sicherzustellen. Ich bin allen Beteiligten ausgesprochen dankbar, die an der Umsetzung dieses tollen Projektes beteiligt waren und sind.“

Wahle bedankte sich beim Staatssekretär für sein Grußwort. „Digitalisierung ist Teamarbeit. Als Krankenhaus sind wir eng mit den Kooperationspartnern in den Pflegeeinrichtungen und den Praxen zusammengewachsen, wobei die Zusammenarbeit unter Corona-Bedingungen eine Herausforderung war. Alle zeigten sich immer sehr offen und dankbar über die Anregungen und Fortschritte. Durch die digitale und damit schnellere Kommunikation konnten wir die Qualität der Patientenversorgung im Rahmen dieses Pilotprojektes verbessern. Jetzt geht es darum, die Errungenschaften im Land Schleswig-Holstein auszurollen.“

Um das Projekt konkret zu machen, wurden zwei Fallbeispiele erläutert, die die bisherige Praxis und die neuen Möglichkeiten im Rahmen von SEKMA aufzeigen.

Fallbeispiel 1 aus der Abteilung für Gefäßchirurgie von Chefärztin Dr. Annette Sommerfeld zur Videosprechstunde mit „elvi“

Die 83-jährige Diabetikerin Liselotte Müller hat eine chronischen Wunde am Bein. Im Krankenhaus wird zur Verbesserung der Durchblutung eine Gefäßaufdehnung vorgenommen und die Wunde aufwändig gesäubert. Danach wird Frau Müller mit einem festen Therapiekonzept in die Häuslichkeit entlassen, wo sie ambulant vom SVS Stormarn gepflegt und von ihrer Hausärztin betreut wird. Nun heilt die Wunde nicht so schnell und unkompliziert wie gedacht. Und aus Sorge, dass die Heilung nicht auf dem richtigen Weg ist, weist die Hausärztin Frau Müller erneut ins St. Adolf-Stift ein. Sie wird mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht.

Durch das Projekt SEKMA wird dieser „Drehtür-Effekt“ vermieden. Dr. Annette Sommerfeld sagt: „Da ich die Patientin und ihre Befunde kenne, kann ich ihre Wunden sehr gut in einer Videokonferenz beurteilen. Ich verabrede mich zu einer elektronischen Visite mit der Wundexpertin, die Frau Müller zuhause betreut. Dank der Anwendung „elvi“ kann ich Frau Müller datenschutzkonform konkrete Fragen über das iPad der Wundexpertin stellen und mir durch die Kamera-Funktion ein Bild von der Wunde machen. Wir besprechen dann zu dritt die nötigen Schritte, zum Beispiel, dass die Wundauflage geändert oder häufiger gewechselt werden muss. Eine Wiedervorstellung im Krankenhaus ist nicht nötig.“

Fallbeispiel 2: Elektronische Übertragung von Dokumenten wie Arztbriefen per „KIM“ (Kommunikation im Medizinwesen) und Adhoc-Kommunikation mit dem datenschutzkonformen TI-Messenger „famedly“ zwischen dem niedergelassenen Nephrologen Prof. Markus Meier und Shunt-Zentrums-Leiterin Dr. Isabell Jester vom St. Adolf-Stift.

Der nierenkranke Anton Wolf (76) wird nach einer Shunt-Operation aus dem St. Adolf-Stift entlassen und bekam bisher in der Regel einen vorläufigen Arztbrief mit. Am nächsten Tag geht er zur Nierenwäsche in seine Dialysepraxis, hat aber den Brief zuhause vergessen. Der postalische Arztbrief wiederum ist in der Praxis noch nicht eingetroffen. Dem Nephrologen Prof. Markus Meier fehlen nun wichtige Informationen für die Weiterbehandlung. Diese versucht er im Krankenhaus Reinbek per Telefon oder Fax zu erhalten.

Durch SEKMA ist es nun möglich, dass der Arztbrief bei Entlassung direkt datensicher an den niedergelassenen Arzt oder Ärztin sowie ggf. das Pflegeheim oder den Pflegedienst per KIM geschickt wird. 

Prof. Meier berichtet: „Wenn Herr Wolf nun unsere Praxis betritt, öffne ich die elektronische Akte von Herrn Wolf in unserem Praxis-Software-System und sehe sofort den Entlass-Brief vom St. Adolf-Stift. Ich kann diesen also lesen und meine weitere Therapie und Medikation für Herrn Wolf direkt aus den Krankenhaus-Informationen ableiten.“

Falls sich während der Behandlung aber noch weitere Fragen ergeben, hat Prof. Meier die Möglichkeit, der Shunt-Operateurin eine Kurznachricht zu schicken. Dank des TI-Messenger „famedly“ erhält Shunt-Zentrums-Leiterin Dr. Isabell Jester dann auf ihrem Dienst-iPad (oder wenn sie möchte auch auf ihrem privaten Handy) eine Benachrichtigung. Der Austausch ist nicht nur anders als bei anderen Messengern datenschutzkonform nach Vorgaben der Telematik-Infrastruktur, sondern kann zukünftig auch die komplexe Struktur eines Krankenhauses abbilden, etwa was Dienstzeiten der Experten angeht. 

An dem SEMKA-Projekt beteiligen sich neben diversen Mitarbeitenden des St. Adolf-Stiftes und den IT-Firmen viele Kooperationspartner aus der Region. Darunter die Zusammenschlüsse von Ärztinnen und Ärzten im Praxisnetz Herzogtum Lauenburg und Praxisring Südstormarn, die Pflegeheime der Seniorenpartner Elisabeth Schulz GmbH in Trittau, die Wicherngemeinschaft mit dem Togo-Hof Glinde und dem Haus Altenfriede in Reinbek und die beiden ambulanten Pflegedienste von der SVS in Reinbek und der Pflegediakonie in Aumühle.

Das Projekt wird vom Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck unter Federführung von Prof. Dr. Jost Steinhäuser wissenschaftlich begleitet.