- Pressemitteilungen/
- Experten diskutieren Auswirkungen von Macht und Ohnmacht auf Gesundheit und Gesellschaft
Experten diskutieren Auswirkungen von Macht und Ohnmacht auf Gesundheit und Gesellschaft
- |06. März 2017
- |Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle (Saale)
Unter Macht versteht man die Fähigkeit, etwas bewirken oder beeinflussen zu können. Macht ist darüber hinaus ein politisch-soziologischer Begriff, der für Abhängigkeits- oder Überlegenheitsverhältnisse verwendet wird. Als Ohnmacht wird im psychologischen Sinne das Gefühl von Hilflosigkeit bezeichnet. Wie erleben Menschen Situationen der Macht und mitunter existenzgefährdender Ohnmacht? Welche gesundheitlichen Folgen können mit diesem Erleben verbunden sein? Diesen Fragestellungen sind die 15. „Hallenser Gespräche zu Psychotherapie, Religion und Naturwissenschaften“ im Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle (Saale) nachgegangen.
Vor bis zu 200 interessierten Zuhörern beleuchteten namhafte Referenten auf der zweitägigen Veranstaltung verschiedene Sichtweisen auf die Themenfelder Macht und Ohnmacht, beurteilten medizinische Therapieansätze und diskutierten gesellschaftliche Auswirkungen. Gastgeberin Dr. med. Claudia Bahn, Chefärztin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie des Krankenhauses St. Elisabeth und St. Barbara, äußerte sich zufrieden über die Themenbreite und den regen Zuspruch: „Die Hallenser Gespräche bieten die hervorragende Möglichkeit, dass Referenten unterschiedlicher Fachrichtungen ihre Blickwinkel zusammenführen und untereinander ins Gespräch kommen. Dadurch entsteht ein Austausch, der in letzter Konsequenz unseren Patientinnen und Patienten zugute kommt.“
Beim diesjährigen Thema „Macht und Ohnmacht“ hätten vor allem die ausgewogene Perspektivenwahl zwischen Traumatherapie, Psychoanalyse, Politologie und Theologie überzeugt. Dr. Reinhard Grütz, der als Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Magdeburg als Mitveranstalter des Symposiums verantwortlich zeichnete, sieht einen Grund für den Erfolg der diesjährigen Veranstaltung in den aktuellen Themenbezügen zu Gewalterfahrung, Migration und Populismus: „Unsere Themenwahl hat – offenbar auch bedingt durch die aufgewühlte aktuelle Lage – bei vielen Teilnehmern einen Nerv getroffen.“
Professor Dr. Martin Sack, Leiter der Sektion Traumafolgestörungen der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Klinikum rechts der Isar (München) erläuterte, wie eigene Gewalterfahrung von vielen Menschen weitergegeben wird und so Opfer zu Tätern werden. Die Auseinandersetzung mit den belastenden Erfahrungen wird häufig vermieden, so dass Gewaltpotentiale eine Eigendynamik entwickeln und die Gefahr der Weitergabe von tatsächlicher Gewaltausübung, zum Beispiel an die eigenen Kinder, besteht.
Die Psychotherapie helfe traumatisierten Personen, selbst erlebte Gewalt, Demütigung oder Vernachlässigung so zu verarbeiten, dass sie nicht selbst zu Tätern werden.
Professor Dr. Franziska Lamott, Diplomsoziologin und Gruppenlehranalytikerin an der International Psychoanalytic University Berlin, setzte sich in ihrem Beitrag mit der destruktiven Dynamik von Gruppenprozessen und dem Thema Jugendgewalt auseinander. Anhand des Beispiels einer tödlich entgleisten Situation in einem Jugendgefängnis verdeutlichte die Referentin den Zusammenhang zwischen Kontrolle und Unterwerfung sowie die Auswirkungen von Wut und Hass auf jedwede Schwäche und Organisationsstruktur. Der Diplom-Psychologe Dr. Martin Altmeyer (Frankfurt/Main) informierte die Zuhörer mit seinen Ausführungen über die „Macht der Beziehung“. Der Mensch sei nicht länger nur als triebgesteuertes Einzelwesen zu betrachten, sondern bewege sich in einem Beziehungsgeflecht, welches, unter anderem am Beispiel einer Mutter-Kind-Interaktion erklärt, entscheidende Auswirkungen auf seine persönliche Entwicklung hat. Professor Dr. Thomas Kliche vertrat den Fachbereich Angewandte Humanwissenschaften der Hochschule Magdeburg-Stendal mit einer Betrachtung von Momenten der Macht und Ohnmacht in Politik und Gesellschaft. Hierbei setzte er sich unter anderem mit den Ursachen und Folgen des politischen Populismus auseinander. Welche zerstörerische, aber auch kreative Macht das Gefühl der Verwundbarkeit freisetzen kann, stellte Professor Dr. Hildegund Keul, Leiterin der Arbeitsstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (Düsseldorf), in ihrem Beitrag dar. Der Schwerpunkt ihres Vortrags lag auf der christlichen Sicht auf die menschliche Verwundbarkeit und ihre Auswirkungen, zum Beispiel auf politische oder persönliche Entscheidungen. Im Anschluss an die Fachvorträge moderierte Matthias Brenner, Intendant des Neuen Theaters in Halle, eine lebhaft geführte Podiumsdiskussion zum Wechselspiel zwischen Macht und Ohnmacht.
Für das kommende Jahr planen die Veranstalter eine Neuauflage der Hallenser Gespräche, erneut mit aktueller Themensetzung und bundesweiter Beteiligung.