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Horst Teltschik, Diplomat und Manager der Wiedervereinigung, sprach im St. Adolf-Stift, Reinbek
- |15. September 2015
- |Krankenhaus Reinbek St. Adolf-Stift
Er war der Manager der deutschen Wiedervereinigung und hat mit Bundeskanzler Helmut Kohl am Haus der europäischen Union gebaut. Rückblick auf Historie und Prognosen für Morgen: "Es gibt in Europa keine Sicherheit ohne Russland."
Am 10. September 2015 gab Organisator und Krankenhausgeschäftsführer Lothar Obst die Einführung in den Vortrag „Wie wir die Deutsche Einheit schufen“ von Ex-Kanzler-Berater Prof. Dr. h.c. Horst Teltschik in der Aula der Pflegeschule des St. Adolf-Stiftes: In Fragen, die Deutschland als Ganzes betrafen, hatten 1989 die vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs das letzte Wort. Im Rahmen der „Zwei-plus-Vier-Gespräche“ gelang es Helmut Kohl und seinem Team, die Zustimmung der Sowjetunion, der USA, Frankreichs und Großbritanniens zur Wiedervereinigung zu erhalten. Obst „Es ist die Stunde der Diplomatie.“ Lothar Obst bezeichnete Horst Teltschik als „Manager der Einheit“. Er sei immer dabei gewesen: Ob in Paris, London oder im Kreml und vor allem in der Heimat Gorbatschows im Kaukasus, als die beiden Regierungschefs in beinah privater Atmosphäre die Souveränität des Landes in der Mitte Europas beschlossen. Obst: „Die Tür zur deutschen Einheit stand nur für ganz kurze Zeit einen Spalt weit offen, und es ist das historische Verdienst des damaligen Bundeskanzlers, aber auch seines engsten Beraterteams im Bundeskanzleramt, genau das erkannt und die Gunst des Augenblicks genutzt zu haben.“
In seiner eineinhalbstündigen Rede sagte Prof. Dr. h.c. Horst Teltschik: „Für die deutsche Politik gab es immer zwei Prioritäten: für die eigene Sicherheit zu sorgen – durch eine enge Anbindung an NATO, USA und Europa – und dabei immer die Politik des Dialoges mit der Sowjetunion aufrechtzuerhalten.“ Teltschik machte deutlich, dass eine wichtige Regel von Deutschen und Amerikanern war, die Sowjets bzw. Russen immer auf Augenhöhe zu behandeln, was viele Nachfolger von Präsident George Bush Senior leider nicht mehr beherzigt hätten. Und er erzählte, dass Gorbatschow von der modernen Industrie in Deutschland 1989 sehr beeindruckt war. „Der Generalsekretär hatte die Hoffnung, mit Deutschland als starken Wirtschaftspartner die notwendigen politischen und wirtschaftlichen Reformen in Russland angehen zu können.“ Auch, damit Gorbatschow diese Änderungen „politisch überleben“ konnte.
Teltschik berichtete von der unangekündigten 10-Punkte-Rede Kohls am 28. November 1989: „Uns war klar, wir müssen der deutschen und auch der Weltöffentlichkeit eine Strategie vorgeben, wie wir uns eine Deutsche Einheit vorstellen. Das hatten wir nicht für das nächste Jahr vor, wir dachten, es wird vielleicht 5 oder 10 Jahre dauern bis zu Wiedervereinigung. Aber wir wollten selbstbewusst sagen, was wir möchten. Diese Rede haben wir an niemanden weitergeleitet, denn hätten wir die Siegermächte vorher informiert und nur einer wäre dagegen gewesen, dann hätten wir es nicht mehr machen können. Also haben wir alle überrascht.“
Danach fing die Zeit der Diplomatie an, mit allen Siegermächten und Nachbarn wurden viele Verträge abgeschlossen, um ihre Bedenken auszuräumen. Allein mit der Sowjetunion waren es 22 Stück in einem Jahr. Dabei ging es um die Anerkennung der Grenzen genauso wie um milliardenhohe Wirtschaftsförderung, tausende Tonnen Nahrungsmittel und die Gründung von Gremien, um Russland politisch einzubinden, als Gegenleistung, weil die NATO weiter nach Osten rückte.
Was die aktuelle politische Entwicklung angeht, ist Teltschik sicher: „Es gibt in Europa keine Sicherheit ohne Russland!“ Und Einfluss auf Russland gäbe es nur über Einbindung und Zusammenarbeit und nicht über den „politischen Zeigefinger“. Teltschik sagte zum Abschluss: „Nachdem die USA Russland als regionale Macht deklassiert und damit vor den Kopf gestoßen hat, ist die Kanzlerin die einzige, die da noch was erreichen kann.“
Die rund 100 Zuhörer bedankten sich nach einer Fragerunde mit langem Applaus beim Referenten, bevor zum Abschluss vier Streicher das Kaiserquartett von Haydn spielten. Danach gab es Gelegenheit zum Austausch über den Vortrag bei einem Wein und leckeren Kanapees.