Neugeborenen-Screening: Keine gesundheitlichen Nachteile festgestellt

Halle (Saale), 28. Februar 2022. Das Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara Halle (Saale) zieht Bilanz bei den umfangreichen Nachscreening-Untersuchungen im Bereich der Kindermedizin. Die Einladung der Familien zum Nachscreening ist erforderlich geworden, nachdem im Oktober des vergangenen Jahres bekannt geworden war, dass eine ehemalige Mitarbeiterin des Krankenhauses Blutproben beim Neugeborenen-Screening manipuliert hat. Mit der erneuten Untersuchung wird sichergestellt, dass keine Hinweise auf mögliche Erkrankungen bei den Kindern übersehen worden sind.


Anfang Oktober 2021 waren durch das untersuchende Speziallabor in Magdeburg Auffälligkeiten bei den eingesandten Blutproben gemeldet worden. Das erweiterte Neugeborenen-Screening ist ein standardisiertes Verfahren und dient der Früherkennung von angeborenen Stoffwechseldefekten und endokrinen Störungen bei Neugeborenen im Rahmen einer Blutprobe. Durch das Screening auf festgelegte Zielkrankheiten soll jedem Kind durch frühzeitige Therapie bzw. Diät eine normale Entwicklung ermöglicht werden. Die Proben waren dahingehend auffällig, dass sehr wenig fetales Hämoglobin, also roter Blutfarbstoff eines Un- oder Neugeborenen, darin enthalten war. Vielmehr entsprach die Konzentration des fetalen Hämoglobins dem Blut eines Erwachsenen.


Seit dem 1. Oktober 2021 wird das fetale Hämoglobin im Zusammenhang mit dem Neugeborenen-Screening gesetzlich verpflichtend auf das Krankheitsbild einer Sichelzellanämie untersucht. Nach dem Fund von drei auffälligen Stoffwechseltestproben wurde durch das Krankenhaus unverzüglich die rückwirkende Untersuchung von sogenannten Rückstellproben veranlasst, die vor dem 01.10.21 abgenommen worden sind – eben auf den neuen Parameter hin. Bei der Nachuntersuchung sind acht weitere auffällige Proben festgestellt worden, bei denen es sich nachweislich um Erwachsenenblut gehandelt hat.


Nach Gesprächen mit einer Mitarbeiterin aus dem pflegerischen Dienst des betroffenen Bereiches ergab sich der Anfangsverdacht einer bewussten Verfälschung der Blutproben. Die Verantwortlichen des Krankenhauses stellten daraufhin am 13.10.21 Strafanzeige gegen die Mitarbeiterin, die seit der Entdeckung der auffälligen Proben nicht mehr am Krankenhaus tätig und mittlerweile auch nicht mehr dort beschäftigt ist. Die anschließenden behördlichen Ermittlungen ergaben ebenfalls, dass die Blutproben bewusst verfälscht bzw. manipuliert worden sein müssen. Da aufgrund nicht rechtzeitig erkannter Krankheitsanzeichen beim Patienten bis in das Erwachsenenalter hinein schwere Erkrankungen – auch mit Todesfolge – auftreten können, wurde durch das Krankenhaus für einen Zeitraum von rückwirkend acht Jahren ein sogenanntes Re-Screening veranlasst. Anhand der Dienstplanung konnten zunächst rund 800 mögliche Fälle eingegrenzt werden, bei denen eine Manipulation hätte vorliegen können. Zur Sicherheit wurden schließlich alle ca. 1.500 Screening-Fälle einbezogen, die der Anwesenheit der mutmaßlichen Verursacherin im betroffenen Dienstbereich zuzuordnen waren.


Insgesamt nahmen bis zum heutigen Tag rund 800 Familien das Angebot zum Nachscreening im Krankenhaus an, 100 weitere suchten den niedergelassenen Kinderarzt auf. Etwa 400 Familien haben sich entschieden, die per Einschreiben zugestellte Einladung nicht wahrzunehmen. Postalische Rückläufer wurden durch eine erweiterte Adressrecherche, unter anderem bei den Einwohnermeldeämtern, bearbeitet. Das mit den Nachuntersuchungen beauftragte Team hält jedoch weiterhin Termine für Familien bereit, die sich ggf. zu einem späteren Zeitpunkt auf das Anschreiben hin melden werden.


PD Dr. Roland Haase, Chefarzt der Klinik für Neonatologie und Kinderintensivmedizin, leitete in den vergangenen Monaten die Nachuntersuchungen. Er fasst zusammen: „Wir haben konzentriert und mit hohem Personalaufwand an der zügigen Durchführung des Nachscreenings gearbeitet und sind erleichtert, dass aus heutiger Sicht keine gesundheitlichen Nachteile bei den Kindern entstanden sind. Natürlich stehen wir alle weiterhin unter dem Eindruck dieses bestürzenden Falles. Wie an jedem anderen Krankenhaus gilt aber auch bei uns das Vertrauensprinzip, ohne das keine medizinische Tätigkeit denkbar ist. Vor mutwilligen Fehlhandlungen kann sich kein Krankenhaus schützen. Wichtig ist ein funktionierendes Fehlererkennungs- und Meldesystem, wie es auch an unserem Krankenhaus etabliert ist. Ich habe nicht den geringsten Zweifel an der Verlässlichkeit und der fachlichen Sorgfalt unserer Kolleginnen und Kollegen.“


Dr. Hendrik Liedtke, Ärztlicher Direktor des Krankenhauses St. Elisabeth und St. Barbara, dankt allen Beteiligten für die gut strukturierte Zusammenarbeit: „Dass dieses für uns immer noch unbegreifliche Geschehen schnell aufgearbeitet und den Familien die nötige Sicherheit gegeben werden konnte, ist dem Einsatz der Kolleginnen und Kollegen, aber auch unseres Laborpartners, zu verdanken. Innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums wurde ein medizinischer und organisatorischer Kraftakt geleistet. Von Beginn an war uns klar, dass eine solche Situation nur durch eine schnelle Reaktion und transparente Kommunikation aufgelöst werden kann. Beeindruckt hat mich, wie sachlich und verständnisvoll uns die zum Nachscreening eingeladenen Familien begegnet sind. Auch hierfür möchte ich mich sehr herzlich bedanken.“